Autoren_Netzwerk Geschichte des Tages vom 8.5.2016

Falschparker
Peter Caprano

Else saß fröhlich summend am Steuer ihres Autos. Der Tag war bisher toll gelaufen. Alle Einkäufe waren erledigt und die Zeit hatte sogar noch für eine gemütliche Tasse Kaffee in ihrem Lieblingscafé gereicht. Dort kannte sie mittlerweile die Besitzerin so gut, dass Else mit ihr prima plaudern konnte. Jetzt aber ging es nachhause, die kleine Feier am Abend wollte vorbereitet sein. Auf die Feier freute sie sich schon, denn der Anlass lag ihr sehr am Herzen. Dafür hatte sie auch so eifrig eingekauft, denn es sollte perfekt werden.
 Jetzt bog sie in die Lindenallee ein, die Straße, in der sie wohnte. Der Name war berechtigt, denn es standen wirklich rechts und links noch viele Linden. Das ergab ein wunderschönes Bild, hatte aber den Nachteil, dass es kaum Parkplätze an der Straße gab. Deshalb wurden immer wieder Einfahrten zugeparkt, was dann zwangsläufig zu Ärger führte.
 Und auch jetzt sah sie bereits von weitem, dass in ihrer Zufahrt ein Auto stand. So ein Mist, gerade heute, wo sie so viel auszuladen hatte. Wer weiß, wo sie jetzt einen Parkplatz fand und wie oft sie dann hin und her laufen müsste. Vielleicht sollte sie einfach auf der Straße parken. Aber dann wäre sie ja nicht besser als der Falschparker.
 Und während Else noch so am Überlegen war und dabei langsam weiterfuhr, bemerkte sie plötzlich, dass im Falschparker-Auto jemand saß. Glückliche Fügung, sie würde ihn umgehend wegjagen. Kurz hinter dem Wagen hielt Else auf der Straße. Jetzt konnte sie erkennen, dass ein Mann am Steuer saß.
 Sie hupte einmal. Der Fahrer drehte sich nicht einmal um. Also hupte sie dreimal. Jetzt drehte er sich um, schaute Else kurz an und blickte dann wieder nach vorne. So ein unverschämter Kerl, dem würde sie Bescheid stoßen. Also stieg sie aus, ging zu dem fremden Wagen und klopfte an die Scheibe. Er schaute sie fragend an, ließ die Scheibe herunter und fragte »Was wollen Sie denn?«
 »Sie parken in meiner Einfahrt! Wären sie also so freundlich und würden ihr Auto wegfahren.«
 »Guter Trick! Sie finden keinen Parkplatz und deshalb ist das mal eben ihre Einfahrt.«
 »Soll ich Ihnen meinen Ausweis zeigen? Würde sie das überzeugen?«
 »Und selbst, wenn es ihre Einfahrt wäre. Schauen sie sich mal ihren verbeulten Kotflügel an. Ich tue ihrem Auto einen Gefallen, wenn ich sie am Einfahren hindere.«
Und dazu grinste er sie breit an.
 »Wenn sie glauben, dass sie mich mit ihrem Macho-Gehabe beeindrucken können, dann haben sie sich getäuscht! Sie fahren auf der Stelle weg!«
 »Aha, nun wird die Zicke ausgepackt! Das kann ja noch interessant werden.«
 »Hören sie mal gut zu, sie arrogantes Arschloch! Entweder sie verduften hier auf der Stelle oder ich rufe die Polizei!«
 »Jetzt reicht es!«, antwortete er, öffnete die Tür, schob Else damit weg und stieg aus. Und er war schon ziemlich groß, breit und imposant. Else musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht schauen zu können. Eigentlich ein interessantes Gesicht, jetzt aber mit drohendem Blick. Doch so schnell war sie nicht einzuschüchtern.
 »Wenn sie glauben, sie können mir drohen, dann ist umso schneller die Polizei hier. Und ihrem Führerschein können sie jetzt bereits Ade sagen!«
 Sein Gesicht wurde noch finsterer, die Mundwinkel tief herabgezogen.
 Doch dann zuckten die Mundwinkel kurz, zuckten zweimal und plötzlich brach er in schallendes Gelächter aus, in das Else mit einstimmte.
 So hatten sie sich vor vielen Jahren kennengelernt und sie wiederholten das wie ein Ritual an jedem Hochzeitstag.