Autoren_Netzwerk Geschichte des Tages vom 11.6.2016

Die Schlacht
Peter Caprano

Hoch zu Ross reitet Kevin im Regen durch die Reihen seiner Armee, grüßt seine Unterführer und ermuntert die Soldaten. Sie sind perfekt aufgestellt. Vorne das Fußvolk, rechts und links die leichten Reiter und in der Mitte seine Ritter. Auf ihren polierten Rüstungen glänzen die Regentropfen wie Perlen. An Kevins Seite reiten zwei Meldereiter, die seine Befehle schnell überall hinbringen können und natürlich der Standartenträger. Kevins Wappen flattert hoch über dem Feind, signalisiert so bereits seine Überlegenheit.
 Der Gegner steht unten im Tal direkt vor seinem Lager. Das große Zelt des Anführers gefällt ihm und er hat Anordnung gegeben es nicht zu zerstören. Das will er für sich. Kevin ist es gelungen seinen Gegenspieler zu überraschen und nun kommt der aus der ungünstigen Tal-Position nicht mehr heraus. Falls er trotzdem versucht abzurücken, wird Kevin in die dabei entstehende Unordnung hineinstoßen.
 Außerdem kann er von hier oben die feindliche Aufstellung gut überblicken. Bei der Kopfzahl sind sie etwa gleich, doch es fehlt ihnen an leichten Reitern, da ist er um das Doppelte überlegen. Das verschafft ihm einen weiteren Vorteil. Der Sieg ist ihm also so gut wie sicher.
 Warum hat Orin von Eirath ihn auch so brüskiert? Ihn auf dem Markt vor allen lächerlich gemacht. Früher waren sie einmal Freunde gewesen, als Jungen hatten sie zusammen gespielt. Dann, bei der Ausbildung zum Ritter, war es zum Bruch gekommen, denn Kevin hatte sich in fast allen Disziplinen besser angestellt. Nur mit der Lanze hatte Orin Vorteile gehabt. Mit dem Schwert, mit der Axt, mit dem Morgenstern hatte er Kevin nicht übertreffen können. Darüber war Orin so verärgert gewesen, dass er nicht nur die Freundschaft aufgekündigt, sondern auch noch mit Hilfe von vertraulichem Wissen Kevin in den Dreck gezogen hatte. Es gibt Dinge, die will und kann Kevin nicht verzeihen.
 Heute wird der Schändliche den Preis dafür bezahlen. Seine Männer sind bereits unruhig, fiebern dem Kampf entgegen. Sobald er das Zeichen gibt, wird die Hölle losbrechen. Eine todbringende Welle wird den Feind hinwegfegen und die Wiese im Tal in einen Sumpf aus Regen und Blut verwandeln.
 Wenn alles vorbei ist, die Wunden verbunden sind, dann kommt der Moment, um mit seinen Männern im Zelt des gegnerischen Anführers zu feiern. In dem Zelt, neben dem die Lanze mit dem Kopf von Orin stecken wird, falls der nicht feige geflüchtet ist.

 Und er wird auch erst einmal richtig genüsslich pinkeln.

 Pinkeln?
Erschrocken fährt Kevin aus dem Schlaf hoch und beeilt sich ins Bad zu kommen, bevor etwas schiefgeht.